Offener Brief von Dr. Cornelia Nenz an den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Dr. Frank-Walter Steinmeier, im Zusammenhang mit dem Ausschluss von russischen Vertretern bei den Gedenkveranstaltungen zum Tag der Befreiung vom Faschismus. 02.05.2025
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
die Anweisung - Handreichung genannt - des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland, zu Gedenkfeiern anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus keine Vertreter Russlands und Belarus‘ einzuladen bzw. bei offiziellem Gedenken das, „Hausrecht“ anzuwenden, erfüllt mich mit Entsetzen und Scham.
Ich empfinde diese Haltung als friedensfeindlich und unwürdig. Und wenn Sie diese Handlung mit dem Eingriff Russlands in den spätestens seit 2014 tobenden Krieg in der Ukraine rechtfertigen möchten, dann frage ich Sie: Wann je hat die Bundesrepublik Deutschland Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, die unzählige völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt haben, so behandelt?
Mein Vater Dr. Friedrich Lettow war zu Beginn der faschistischen Herrschaft ein junger Arzt in Dresden. Er half Nazi-Gegnern, in die Tschechoslowakei zu flüchten. Er wurde 1935 verraten, dann eingesperrt und verbrachte die Zeit bis 1945 als Häftlings-Arzt in den Konzentrationslagern Bergen-Belsen, Natzweiler-Struthof, Buchenwald und Sachsenhausen.
Auch nach der Befreiung betreute er noch lange seine Mitgefangenen. Ein norwegischer Leidensgenosse schrieb: „Schon seit 10 Jahren war er Gefangener in verschiedenen Lagern.
Zehn Jahre, in denen er seine Mitmenschlichkeit nicht verloren hatte. … Wer hat in tiefer Achtung und Dankbarkeit dir ein Denkmal errichtet, und wo finde ich das?“
Den Ausschluss der Vertreter jener Befreier, die die Hauptlast des von den Deutschen geführten verbrecherischen Vernichtungskrieges tragen mussten, halte ich für einen Hohn gegenüber den vielen Opfern des Faschismus, auch gegenüber meinem Vater, insbesondere aber gegenüber den 27 Millionen Opfern der Völker der Sowjetunion, und eine Schande für Deutschland.
Mit höflichem Gruß
Dr. Cornelia Nenz, Stralsund